Von: - Leo Demuth, Lüneburg

Reisebericht: Besuch beim Pollo in Lindenberg am 1.6.2013

Die dritte FdE-Exkursion dieses Jahres fand am 1.Juni statt. Wie gewohnt starteten die Gruppen in Lüneburg und Hamburg, jeweils an den Bahnhöfen. Mancher hatte sich mit einem Regenschirm ausgestattet, weil der Sommer irgendwie seine Aufgabe nicht wahrnehmen möchte.

In Büchen begegneten sich dann die Reisegruppen im gut ausgelasteten Regionalexpress, dessen Ziel die Hansestadt Rostock war. In rascher Fahrt wurde Schwerin erreicht. Dort musste in einen Kiss-Zug der ODEG umgestiegen werden. Wie schon während der Fahrt nach Berlin war der Bahnsteig 3 gut gefüllt. Wann begreifen eigentlich die Marketingabteilungen der Bahnen, dass es grade wochenends ein großes Potential an Reisenden gibt, die gut - die Schnelligkeit scheint dabei ein relativer Begriff zu sein - und vor allem preiswert ihre Reise durchführen wollen. Ich wage diese Behauptung deswegen, weil ich immer wieder beobachte, dass in den DB-, Metronom- und ODEG-Zügen usw. beständig ein großer Anteil an Reisenden anzutreffen ist, die erkennbar (großes Gepäck) eine längere Strecke auf der Basis des „Schönes-Wochenende-Ticket„, „Niedersachsen-Ticket“ und der anderen Pauschalfahrausweise zurücklegen wollen. Die Fernbusunternehmer warten genau auf dieses Klientel!

Ich habe anlässlich der Exkursion zum Berliner Hauptbahnhof schon eine Beschrei-bung der neuen Kiss-Züge beigesteuert, daher muss hier keine Wiederholung erfolgen.

Neustadt (Dosse) wurde mit einer bedingt tolerierbaren Verspätung erreicht. Im dortigen ehemaligen Wasserturm, erbaut um 1910, hat sich ein Bistro einquartiert. Die Eigentümer haben den Turm 2006 von der DB gekauft, restauriert und 2007 eröffnet. Während der Recherchen für die Fahrt war ich auf diese Möglichkeit einer sinnvollen Pausengestaltung (die DB produziert nicht nur Verspätungen, sondern „quält“ auch gerne Reisende durch lange Übergangszeiten) gestoßen. Während wir das Bistro ansteuerten, saß dort schon gemütlich die „Reisegruppe Sauerland“ und testete die Kaffeequalität. Die Betreiberin des Bistros hatte extra für unsere Gruppe geöffnet! Wo gibt es in der deutschen Servicewüste etwas Vergleichbares? – Danke!

Der geplante Reiseweg führte uns dann über die Bahnstrecke Neustadt (Dosse) – Pritzwalk. An dieser Strecke findet man so klangvolle Haltepunktnamen wie Rosenwinkel und Blumenthal.

Wir nutzten für die Fahrt den Triebwagen 504 001-9, der bei „Deutsche Waggonbau AG“ (DWA) Werk Bautzen (heute Teil von Bombardier) gebaut wurde. Die Serie der 1998/99 gebauten Zweiachser umfasste nur 24 Fahrzeuge. Für den Probebetrieb von Lüneburg West bis Kurpark zur Leuphana-Universität (Leuphana-Express) waren 2 Fahrzeuge aus dieser Serie von der Prignitzer Eisenbahn zur Vermietung angeboten worden.

Ein solcher Triebwagen kann immerhin 100 km/h fahren. Wir erlebten, dass das Fahrzeug flott über die reizvolle Strecke Neustadt (Dosse) – Pritzwalk „raste“. Kostengünstige Betriebsabwicklung wurde ebenfalls vorgeführt: „Unsere“ Zugbegleiterin erschien in Neustadt in Alltagskluft und verschwand in Kyritz. Dort setzte sie sich auf ein Fahrrad, um damit zum nächsten Bahnübergang zu radeln. Dort verwandelte sie sich in eine Schrankenwärterin, um unserem Triebwagen eine sichere Weiterfahrt zu ermöglichen. Die Fahrt von Neustadt nach Pritzwalk hinterließ bei mir einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits sahen wir „Natur pur“ aus dem Fenster, aber wenig Menschen. In diesem Teil Brandenburgs blutet das Land genauso aus, wie dies in Teilen von Mecklenburg-Vorpommern oder auch in der Eifel der Fall ist.

Wir erfuhren später von unserem Taxifahrer, dass sich Betriebe ansiedeln wollen, diese aber keine Fachkräfte mehr finden. Die Ansiedlung unterbleibt also und die Probleme verschärfen sich. Es handelt sich um die Folgen der „Völkerwanderung“, die nach der Wende einsetzte. Die zu DDR-Zeiten entstandenen Industriebetriebe verschwanden relativ schnell. Auf die Frage, ob die Betriebe betriebswirtschaftlich sinnvoll gearbeitet haben, gehe ich an dieser Stelle allerdings bewusst nicht ein. Der Strukturwandel setzte aber bereits während der Existenz noch der zwei deutschen Staaten ein.

In Pritzwalk standen 2 Großraumtaxen bereit, um unsere Gruppe nach Lindenberg, dem Betriebsmittelpunkt des „Pollo“, zu bringen. Der Einsatz von Taxen war notwendig, da am Wochenende der Busverkehr in der Region ruht.

Zum besseren Verständnis ist ein kurzer Exkurs in die Geschichte notwendig. Zwischen den Prignitzstädten Perleberg, Pritzwalk und Kyritz, mit Abzweigen nach Breddin und Glöwen, entstand zwischen 1897 und 1912 ein 100 km langes Schmalspurbahnnetz, mit einer Spurbreite von 750 mm. In dieser Zeit ist auch der Name „Pollo“ entstanden. Am 1. Juni 1969 trafen sich letztmalig in Lindenberg drei Sonderzüge zur offiziellen Abschiedszeremonie. Danach wurden die Schienen abgebaut.

1994 wurde der Verein „Prignitzer Kleinbahnmuseum Lindenberg“ gegründet. Im Mai 2002 wurde die Schmalspurbahnstrecke zwischen Mesendorf und Brünkendorf wiedereröffnet und im Jahre 2004 bis Vettin verlängert. Seit Mai 2007 fahren die Muse-umszüge wieder bis nach Lindenberg.

Uns erwartete ein Schmalspurzug, der wie folgt beschrieben eingesetzt wurde:

Wagen 970-788, (Hersteller:Triebwagen- und Waggonfabrik Wismar AG, Baujahr 1927),
Wagen 970-604, (Hersteller: Sächsischen Waggonfabrik AG Werdau, Baujahr 1926). Dieser Wagen kam von der Preßnitztalbahn zum „Pollo“. Wegen erheblicher Schäden am Wagenkasten, wurde das Fahrzeug zum Aussichtswagen umgebaut.
Wagen 970-546, (Hersteller: Waggon- und Maschinenfabrik AG Bautzen, Baujahr 1926)
Wagen 970-855, (Hersteller: Werkstätten der Königlich Sächsischen Staatseisenbahn, Chemnitz, Baujahr 1899). Dieser Wagen wurde nach Aufarbeitung am 3. Mai 2013 wieser in Betrieb genommen. In ihm kann auch geheiratet werden!
Packwagen 97-52-71, (Hersteller: Düsseldorfer Eisenbahnbedarf, Baujahr 1904)
Lok: (Hersteller: LKM Babelsberg, Baujahr 1961, Fabriknummer 250269). Einsatzorte waren das Stahlwerk Maxhütte in Unterwellenborn und die Eisenbahn-Schauanlage in Wilsdruff (Sachsen).

Die befahrene Strecke, 9 km lang, kann ohne Übertreibung als ausgesprochen reizvoll bezeichnet werden. Insbesondere ein Abschnitt, der durch einen Wald führt, ist besonders schön. Der Zug hält unterwegs in Vettin, Brünkendorf und Klenzenhof. Für die FdE-Gruppe wurde während der Hin- und Rückfahrt jeweils ein Fotohalt angeboten, obwohl es sich um planmäßig verkehrende Züge handelt. Die dadurch ent-standene Verspätung wurde wohlwollend von den anderen Fahrgästen toleriert. In Mesendorf endet leider die Strecke. Gerne wäre man weitergefahren. Kompetente Mitglieder des dortigen Vereins wiesen darauf hin, dass die Unterhaltung von 9 km Risenbahnstrecke schon eine Herausforderung darstellt, denn an Aktiven mangelt es in der Prignitz natürlich auch.

Einige Teilnehmende drehten eine Runde mit der 500 mm-Spur-Feldbahn. Als sehr nett habe ich es empfunden, dass unser jüngster Teilnehmer, Philipp Braun, die Lok fahren durfte.

Leider mussten wir bald wieder abreisen. Bei den freundlichen Kollegen wäre man noch gern länger geblieben. Unsere Taxifahrer hatten noch eine kleine Überraschung für uns. Über befestige Feldwege ging es durch die herrliche Landschaft zurück nach Pritzwalk.

Die Härte des Lebens eines DB-Fahrgastes holte uns spätestens ein, als die Compu-terstimme eine Verspätung von 10 Minuten für den „Prignitz-Exnress“ bach Wittenberge verkündete. Dieser verkehrt mit Triebwagen der Baureihe 646 (GTW 2/6). Auch als Randprodukt der seltsamen Fahrplangestaltung der DB hatten wir etwa 60 Minuten (theoretisch) in Wittenberge zur Verfügung, die der Reisedienst-Leiter mit seiner Gruppe für einen Besuch im ehemaligen Bw nutzen wollte. Die entstandene Verspätung verkürzte den Aufenthalt um 10 Minuten, die dann von der ODEG hätten kompensiert werden können, wenn wir davon etwas erahnt hätten. Der uns weiterbefördernde Kiss-Zug nach Wismar traf nämlich in Wittenberge auch mit 10 Minuten Verspätung ein. Burkhard Bohn, Vorsitzender der „Dampflokfreunde Salzwedel“, die seit Ende 2012 im ehemaligen Bw einen neuen Standort fanden, holte uns netterweise vom Bahnhof ab. Der Verein „Dampflokfreunde Salzwedel e.V.“ und der „Verein Historischer Lokschuppen Wittenberge e.V.“ betreiben gemeinschaftlich den „Historischen Lokschuppen Wittenberge“. Das Bahnbetriebswerk Wittenberge kann auf eine über 160-jährige Geschichte zurückblicken. Einst gehörte Wittenberge zu den größten Bahnbetriebswerken der Deutschen Reichsbahn (DR).

Im Sommer 2011 begannen mit Fördermitteln der Europäischen Union, des Landes Brandenburg sowie des Bundes die aufwendige Sanierung und der Umbau des Ring-lokschuppens zum größten Eisenbahnmuseum in Brandenburg. Im Herbst 2012 war es dann soweit - der Historische Lokschuppen öffnete wieder seine Tore.In das Objekt wurden 3,5 Millionen Euro investiert. Der leider nur kurze Rundgang ergab einen sehr positiven Eindruck.

Als ehemaliger Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft Verkehrsfreunde Lüneburg e.V.“ war ich an den Verhandlungen zwischen dem Landkreis Lüneburg, der Samtgemeinde Ilmenau sowie dem Verein aus Salzwedel maßgeblich beteiligt. Bekanntlich sollte in Melbeck-Embsen ein neues Domizil für die beiden Vereine entstehen. Das Projekt hatte keine solide Grundlage und wurde nicht realisiert. Nach meiner Einschätzung sind die „Salzwedler“ in Wittenberge viel besser aufgehoben. Ich erfuhr, dass in das ehemalige Bw Salzwedel ein Unternehmen einziehen wird, welches Lastwagen repariert. Sehr passend, denn immerhin ist der LKW (leider) der bisherige Gewinner des verzerrten Wettbewerbs zwischen der Straße und der Schiene. Der ODEG Kiss-Zug, der für die Rückfahrt benutzt werden sollte, traf dann mit 10 Minuten Verspätung ein. Wir entschlossen uns, wieder in Schwerin umzusteigen, um dort den Anschlusszug nach Büchen - Hamburg zu erreichen. Ohne Probleme erreichten wir Büchen, wo die „Lüneburger“ umstiegen.

Wir waren uns einig, dass wir gemeinsam einen schönen Tag in der Prignitz erlebt haben.

Einen herzlichen Dank an Frau Steinfeld vom Bistro in Neustadt (Dosse), die Mitglider des „Verein „Prignitzer Kleinbahnmuseum Lindenberg“, Burkhard Bohn von den „Dampflokfreunden Salzwedel“ und Klaus Ludwig vom „Verein Historischer Lokschuppen Wittenberge e.V“.

Fotos von: Leo Demuth


Gruppenfoto vor dem Bahnhofsgebäude in Pritzwalk

Gruppenfoto vor dem Bahnhofsgebäude in Pritzwalk

1. Klasse im KISS Zugo

1. Klasse im KISS Zugo

Innenaufnahmen eines KISS Zuges

Innenaufnahmen eines KISS Zuges

Innenaufnahmen eines KISS Zuges

Innenaufnahmen eines KISS Zuges

Bedienpult in der Tolilette eines KISS Zuges

Bedienpult in der Tolilette eines KISS Zuges

KISS Zug in Neustadt (Dosse)

KISS Zug in Neustadt (Dosse)

ehemaliger Wasserturm in Neustadt (Dosse), heute Bistro

ehemaliger Wasserturm in Neustadt (Dosse), heute Bistro

im Außenbereich des Bistros

im Außenbereich des Bistros

Triebwagen der Eisenbahngesellschaft Potsdam

Triebwagen der Eisenbahngesellschaft Potsdam

Exkursionteilnehmer im Aussichtswagens des Pollo

Exkursionteilnehmer im Aussichtswagens des Pollo